Ales Bialiatski: Was wird mit Belarus passieren?

Am 25. November, dem 500. Tag der Inhaftierung des Menschenrechtsverteidigers Ales Bialiatski, wird die deutsch-schweizerische Organisation Libereco in Zürich und Den Haag Veranstaltungen durchführen, um gemeinsam die Freilassung von Ales und allen belarusischen politischen Gefangenen zu fordern. Europäische Diplomaten haben zudem eine Petition für die Freilassung des legendären Menschenrechtsaktivisten ins Leben gerufen.

Wie seine Verbündeten und Kollegen mitteilen, ist es sehr wahrscheinlich, dass Ales derzeit im Gefängnis Notizen über die Welt um ihn herum für sein neues Buch macht. Diejenigen, die Ales gut kennen, als Gründer und Leiter des belarusischen Menschenrechtszentrums „Viasna“, als einen der Impulsgeber der Demokratiebewegung und als Friedensnobelpreisträger, dürfte sich darüber freuen, dass Ales Bialiatski auch als Schriftsteller und Forscher der belarusischen Literatur bekannt ist.

Insgesamt hat er etwa zehn Bücher veröffentlicht. Viele Texte für diese Bücher wurden während seiner Gefangenschaft verfasst. In seinen Büchern spricht er über Ereignisse in seinem persönlichen und öffentlichen Leben, über die Menschen in seinem Umfeld, über Reisen, die Geschichte und Literatur von Belarus und über seinen Zustand in der Gefangenschaft. Dazu zählen Bücher wie „Litaratura i nazyja“ („Literatur und Nation“), das 1991 veröffentlicht wurde, und „Boi s saboi“ („Der Kampf mit sich selbst“), dessen erste drei Kapitel in der Kolonie Babrujsk verfasst wurden. Das Buch „Turemnyja sschytki“ („Notizbücher aus dem Gefängnis“) wiederum besteht aus Tagebucheinträgen, die während der Inhaftierung in verschiedenen Notizbüchern oder auf separaten Blättern festgehalten wurden.

In einem Interview mit dem Medienprojekt „August2020“ im Mai 2021 erinnert sich Ales Bialiatski an die Ereignisse des Jahres 2020 und teilt seine Gedanken mit:

Man findet sich in einem Umfeld wieder, in dem man unter Druck gesetzt, gedemütigt und verfolgt wird, in dem selbst die wenigen Rechte, die man im Gefängnis hat, eingeschränkt werden. Das sind die Dinge, die leider jetzt gegen politische Gefangene kultiviert werden. Ich war auch in der Haft. Dort muss man natürlich Ausdauer und Geduld haben, denn manchmal muss man tagelang, wochenlang, monatelang einfach nur warten und keine plötzlichen, unnötigen Bewegungen machen.

Generell hatte man das Gefühl, als sei der Krieg gekommen. Ich hatte eigentlich erwartet, dass das Kriegsrecht verhängt und die Armee eingesetzt werden würde. Aber aus irgendeinem Grund haben die Machthaber es dann doch nicht getan und einen Rückzieher gemacht. Ich weiß nicht, vielleicht ist dort psychologisch etwas passiert, oder sie waren nicht auf solchen hartnäckigen Widerstand und auf diese Welle des Hasses gegen sie vorbereitet, dafür, dass sie die Wahlen manipuliert und den Menschen die Entscheidungsfreiheit genommen haben.

Wir sehen doch, dass zu dieser Zeit ganz Belarus auf den Beinen war, die Menschen forderten Gerechtigkeit und nichts mehr als das. Sicherlich war es ein Befehl, sicherlich war es sogar mehr als ein Befehl. Es war ein Verweis auf die gewaltsame Unterdrückung von Massenprotesten, nämlich mit diesen sadistischen Methoden: Folter, Tötungen, Verletzungen.

Ich habe in den Archiven des Menschenrechtszentrums „Viasna“ gestöbert und mir angesehen, wie es nach dem Freiheitsmarsch von 1999 aussah, der vor 20 Jahren stattfand. Damals wie heute handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit der Festgenommenen um normale Bürger, nicht um ausgebildete Kämpfer, nicht um ausgebildete Einheiten, die bereit sind, die Macht sozusagen mit Gewalt an sich zu reißen. Es sind Menschen aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten.

Das haben wir alle gesehen, als diese Menschen mit ihren Aussagen zu uns kamen und anfingen zu erzählen. Es herrscht eine Atmosphäre ständiger Spannung. Man ist die ganze Zeit wirklich wie im Krieg. Jetzt stellt sich heraus, dass unsere Arbeit kriminell ist, sie wurde verboten.

Aber bei der überwältigenden Mehrheit der Menschen hat sich die Einstellung nicht geändert, das steht fest. Die Menschen werden sich diese Machthaber nicht gefallen lassen und die Machthaber sind in der Minderheit. Das kann nicht lange so weitergehen. Ich würde sagen, dass sie einfach durchhalten müssen, sie müssen diese Zeit durchhalten…

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