Schwarzes Buch von Belarus: Wie viele wurden letztendlich festgenommen und wie war das Schicksal der Inhaftierten?

Zum Team des oppositionellen Telegram-Kanals „Schwarzes Buch von Belarus“ gehörte fast von Anfang an ein verdeckter Mitarbeiter der belarusischen Sicherheitsbehörden. Mit seiner Hilfe konnte das Regime mindestens 32 Menschen ins Gefängnis sperren. Malanka Media berichtet, was mit den im Fall „Schwarzes Buch von Belarus“ Verhafteten passiert ist.

„Schwarzes Buch von Belarus“ ist ein Telegram-Kanal, in dem Privatdaten von Beamt*innen, Polizist*innen, Richter*innen und anderen Angehörigen des Regimes veröffentlicht wurden, die an Wahlbetrug, Gewalt und Repressionen gegen belarusische Bürger*innen beteiligt sind.

Neun Monate nach dem Start der Initiative stellte das Team fest, dass es sich bei einem Teammitglied um einen Undercover-Agenten namens Artur Hajko handelte. Wie Belsat mitteilte, stellte er sich als Angehöriger des Sicherheitsdienstes der Belgazprombank vor (der Ex-Chef der Bank ist Viktar Babaryka). Seine Identität wurde nicht überprüft, niemand hat ihn zu Gesicht bekommen und sein echter Name war unbekannt. Hajko etablierte sich schnell im Team, weil er Personendaten der Mitarbeiter der berüchtigten GUBOPiK (Hauptdirektion zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Korruption) für das „Schwarze Buch“ besorgte. So erhielt er die Zugänge zum Chatbot der Initiative sowie zum Chat der Medien- und Blogger-Community „Infopoint“ und leitete schließlich das „Schwarze Buch“. Ein Jahr darauf wies die Hackergruppe „Cyberpartisanen“ nach, dass Hajko persönlich für die Operation verantwortlich war, die nach der Entführung des Ryanair-Flugzeugs mit der Verhaftung des Journalisten Raman Pratasewitsch und seiner Freundin Sofia Sapega in Minsk endete, und selbst daran teilgenommen hatte. Hajko hatte unter anderem Zugriff auf die Software, die die Daten von Kontaktpersonen der Initiative sammelte.

Eine Folge waren immer noch andauernde Inhaftierungen; die Menschenrechtler von „Viasna“ wissen von mindestens 32 Belarus*innen, die für die Weitergabe von Daten an das „Schwarze Buch von Belarus“ verurteilt wurden. Die Durchschnittstrafe für sie lag bei sechs Jahren Strafkolonie, einige wurden nach der Verhaftung geschlagen und gefoltert.

Als erster wurde Arzjom Parchamowitsch festgenommen. Er arbeitete bei einem staatlichen Internet- und Fernsehnetzbetreiber. In einer Nachtschicht suchte Parchamowitsch nach Personendaten der Angehörigen von Sicherheitsbehörden in den Datenbanken des Unternehmens und am nächsten Tag wurde er verhaftet. Auch sein Kollege Aljaksej Bytschkouski wurde festgenommen. Die Frau von Bytschkouski sagte in einem Interview, dass er ebenso wie Parchamowitsch geschlagen wurde. Beide Männer wurden schließlich zu jeweils 11 Jahren Haft in einer Strafkolonie mit verschärften Haftbedingungen verurteilt.

Wassil (Nachname unbekannt), der Mitarbeiter einer belarusischen Bank, wurde verhaftet und gefoltert, nur weil er die Daten von Mikalaj Karpjankou, einem der Top-Sicherheitsbeamten, an das „Schwarze Buch“ übermittelt hatte. Man brach Wassil einige Rippen und schor ihm den Kopf mit einer Haarschneidemaschine, „dabei nicht ordentlich, so dass hier und da noch Haare auf dem Kopf blieben“, „man malträtierte ihn“.

Den ehemaligen Ermittler Mikita Staraschenka haben die Sicherheitsbeamten nach der Festnahme gefilmt. Er hatte Prellungen im Gesicht. Sein Zellennachbar erzählte später, dass Mikita nach der Einlieferung ins Gefängnis „komplett blau war: vom Ende seiner Wirbelsäule fast bis zu den Fersen. Seine Beine waren nicht einmal blau, sondern dunkelviolett. Er hatte Schürfwunden im Gesicht und am Kopf, Spuren von Handschellen.“

Auch der politische Gefangene IT-Spezialist Dsmitryj Padres, als Street-Art-Künstler unter dem Namen Dima Dream bekannt, wurde geschlagen. Die Sicherheitskräfte stürmten seine Wohnung, indem sie sich vom Dach abseilten und durch das Fenster einbrachen, schlugen die Tür zum Bad ein, legten ihm Handschellen an und führten ihn nackt ins Zimmer. Sein ehemaliger Zellengenosse erzählte den Menschenrechtlern von „Viasna“, wie Staraschenka bei der Verhaftung misshandelt wurde: „Sie rannten ins Bad, packten ihn und legten ihn im Zimmer auf den Boden. Handschellen an die Hände. Ein Mitarbeiter von GUBOPiK, Wyssozki, nahm eine Gipshand aus dem Regal, zog ein Kondom über und sagte: „Lasst uns das Teil ihm in den Anus schieben.“ Als der Künstler abgeführt wurde, durfte er nicht einmal die Wohnung abschließen. Bei der Ankunft in der Behörde sagte man ihm: „Willkommen bei der Gestapo.“

Dem Betreiberteam des Telegram-Kanals wurde der Prozess in Belarus in ihrer Abwesenheit gemacht. Wie bereits erwähnt, wurde im Mai 2021 die russische Staatsbürgerin Sofia Sapega zusammen mit Raman Pratasewitsch, dem ehemaligen Redakteur des oppositionellen Nachrichtenkanals NEXTA, nach der erzwungenen Landung eines Ryanair-Fluges in Minsk festgenommen. Die junge Frau wurde als angebliche Betreiberin des Telegramm-Kanals „Schwarzes Buch von Belarus“ zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Im Juni 2023 wurde Sofia nach zwei Jahren Haft begnadigt und freigelassen. Jetzt befindet sie sich außerhalb von Belarus.

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