„Ein Mensch kann solche Bedingungen körperlich nicht ertragen. Er wird sterben.“ Wiederholte Verhaftungen und Folter in Belarus

Seit mehr als einem Jahr ist dies in Belarus eine weit verbreitete Praxis: Nachdem eine Person zu einer mehrtägigen Administrativhaft verurteilt wurde, wird sie unter neuen Vorwänden erneut festgenommen und zurück ins Gefängnis geschickt. Das Menschenrechtszentrum „Viasna“ berichtet über mehrere aufsehenerregende Fälle im November.

Eine Haftanstalt für kurzzeitige Verwahrung ist für eine mehrtägige Administrativhaft gedacht, die Gefangenen sollten dort nicht über längere Zeiträume festgehalten werden, und die Bedingungen sind viel schlechter als in Untersuchungshaftanstalten (wo die Gefangenen auf ihr Gerichtsverfahren warten), Kolonien und Gefängnissen. Wiederholte Gerichtsverfahren und Festnahmen sind im Grunde eine andere Art der Misshandlung von politischen Gefangenen.

Priester erkrankte an Corona und wird seit drei Monaten nicht freigelassen

Uladsislau Bahamolnikau. Archivbild: minda.by

So befindet sich der Priester Uladsislau Bahamolnikau seit drei Monaten in einer Haftanstalt für kurzzeitige Verwahrung in Akreszina, Minsk. Er wurde bereits am 31. August festgenommen und wurde mindestens sieben Mal in Folge vor Gericht gestellt. Es ist bekannt, dass Uladsislau in der Haft an Corona erkrankt ist und ständig unter unmenschlichen Bedingungen und ohne jegliche Hygienemittel festgehalten wird, da in Akreszina keine Sendungen für politische Gefangene angenommen werden. Ein ehemaliger Zellengenosse des Priesters, der Wissenschaftler Sjarhej Haranin berichtet, dass die Gesundheit von Vater Uladsislau in großer Gefahr ist:

Ein Mensch kann solche Bedingungen körperlich nicht ertragen. Er wird sterben. Ja, ich weiß, dass Menschen viele, viele Wochen in Akreszina verbringen. Und solche Dinge habe ich gesehen. Aber DREI MONATE… Selbst als ich freigelassen wurde und er mir die Hand schüttelte, war seine Hand schwach, seine Finger dünn, man konnte alle Knochen darin spüren… Und das war damals!!! Und jetzt?! Außerdem war er auch schon im Hungerstreik… Uladsislau ist ein mutiger Mann und er hält mit Würde und Stärke durch… SIE BRINGEN IHN UM. Körperlich. Es wurde mir klar und ich schrieb es. Ich schrie vor Schmerz und Entsetzen!

Der orthodoxe Priester Uladsislau Bahamolnikau hielt 2020 auf dem „Platz des Wandels“ einen Gottesdienst für den von Einsatzkräften ermordeten Raman Bandarenka ab. Im Januar 2021 trat er zur Unterstützung des politischen Gefangenen Ihar Losik in den Hungerstreik und gehörte auch zu den Priestern, die einen Appell gegen den Krieg äußerten.

Menschenrechtsaktivistin wurde getasert und in der Kälte festgehalten

Politische Gefangene und Menschenrechtsaktivistin Nasta Loika. Quelle: nashaniva.com

Die Menschenrechtsaktivistin Nasta Loika ist bereits dreimal hintereinander für 15 Tage inhaftiert worden. Sie wurde am 28. Oktober festgenommen und wegen einer angeblichen „geringfügigen Ordnungswidrigkeit“ vor Gericht gestellt. Dieser Artikel wird häufig für präventive Festnahmen verwendet. Bei einem Gerichtsverfahren erklärte Nasta, gefoltert worden zu sein. Ein Beamter der Hauptdirektion zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Korruption (GUBOPiK) habe sie mit einem Taser angegriffen und ein Mitarbeiter der Haftanstalt habe sie in einen Innenhof gebracht und acht Stunden lang ohne Oberbekleidung dort stehen lassen, woraufhin sie krank geworden sei.

Aktivistinnen treten in Hungerstreik, um gegen die Haftbedingungen zu protestieren

Gewerkschaftsaktivistin Wolha Brytikawa. Quelle: gazetaby.com

Wolha Brytikawa, die Vorsitzende der unabhängigen Gewerkschaft der Ölraffinerie Naftan, wurde am 1. November erneut festgenommen. Sie wurde zweimal zu 15 Tagen Gefängnis verurteilt und erst am 1. Dezember wieder freigelassen. Hinter Gittern trat sie in den Hungerstreik, weil ihre Rechte verletzt wurden und sich das Personal der Haftanstalt weigerte, Pakete von ihren Verwandten an sie weiterzugeben. Der Grund für Wolhas Festnahme war eine Zeichnung, die sie in den sozialen Medien gepostet hatte und auf der „Nein zum Krieg“ stand.

Wolha Brytikawa war eine der Anführerinnen der Protestbewegung bei Naftan nach den Wahlen 2020. Es war ausgerechnet sie, die die Forderungen der Fabrikarbeiter den Behörden und dem Management der Fabrik überbrachte. Wolha hatte 16 Jahre lang beim Unternehmen gearbeitet und wurde aufgrund ihrer Position entlassen. Im Mai wurde sie freigelassen, nachdem sie 75 Tage lang inhaftiert war, weil sie sich gegen den Krieg ausgesprochen hatte. Seit Anfang 2022 hat Bryzikawa 105 Tage hinter Gittern verbracht, davon 75 aufeinanderfolgende Tage zwischen April und Mai.

Die politischen Gefangenen Wolha und Arzjom Anischtschuk. Foto aus den sozialen Medien von Wolha.

Wolha Anischtschuk, die Ehefrau des politischen Gefangenen Arzjom Anischtschuk, der zuvor in einer Kolonie in Mahiljou gefoltert und in zwei Strafverfahren verurteilt wurde, wurde am 4. November festgenommen. Sie wurde zweimal festgenommen, weil sie in ihrer persönlichen Korrespondenz Nachrichten von „extremistischen“ Telegram-Kanälen weitergeleitet hatte, und insgesamt 24 Tage lang inhaftiert. Sie sollte eigentlich am 28. November freigelassen werden, wurde aber erneut festgenommen und erhielt weitere 10 Tage Haft. Menschenrechtsaktivisten haben erfahren, dass Wolha in den Hungerstreik getreten ist, um gegen ihre Misshandlung zu protestieren, während ihr Ehemann Arzjom in die U-Haftanstalt der Kolonie Babrujsk gebracht wurde. Hinter Gittern hatte sie bereits zweimal Bronchitis, weil sie unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten wird und auf dem Betonboden schlafen muss. In der Isolationshaft wird sie schikaniert und unter Druck gesetzt: Dreimal am Tag muss sie sich nackt auszuziehen und in die Hocke gehen.

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