Der Chefredakteur von „Nascha Niwa“ gibt ein Interview aus der Untersuchungshaft

Der russische Dienst von BBC konnte über eine Kette von Mittelsmännern ein Interview mit dem Chefredakteur von „Nascha Niwa“, Jahor Marzinowitsch führen, der sich im Gefängnis befindet. Menschenrechtsorganisationen stuften ihn als politischen Gefangenen ein.

Jahor Marzinowitsch wurde erstmals zu Beginn der Massenproteste in Belarus, in der Nacht des 11. August 2020, festgenommen, als er von einer Kundgebung, über die er als Journalist berichtet hatte, nach Hause zurückkehrte. Er wurde mehrere Tage ohne Anklageerhebung oder sogar ohne Anmeldung in Gewahrsam gehalten und am 13. August freigelassen.

Am 20. August 2020 wurde „Nascha Niwa“, die älteste Zeitung von Belarus, durch eine Entscheidung der Behörden blockiert, aber der Redaktion gelang es, diese Entscheidung zu revidieren. Fast ein Jahr später, am 8. Juli 2021, wurden Marzinowitsch und drei weitere Mitarbeiter der Redaktion festgenommen (Andrej Skurko, Leiter der Anzeigenabteilung, befindet sich weiterhin in Haft). Zunächst wurde ihnen vorgeworfen, illegale Proteste organisiert zu haben, und die Website von „Nascha Niwa“ wurde erneut gesperrt.

„Nachdem die Behörden TUT.by, das größte Online-Medium des Landes, zerstört hatten, war klar, dass sie hinter allen her sein würden“, kommentiert Jahor Marzinowitsch. – „Gab es Signale, dass sie uns gezielt angreifen? Nein, um uns herum ist alles in die Luft geflogen. Aber wir haben weiter auf betont legale Weise gearbeitet, wovor sollten wir in unserem eigenen Land Angst haben?“

Infolgedessen wurde Jahor Marzinowitsch nicht nach dem politischen, sondern nach dem wirtschaftlichen Artikel angeklagt: Zufügung von Sachschaden. Es wurde nicht einmal versucht, die Anschuldigung glaubhaft zu machen.

„Sie haben mich nur aus Rache für meine beruflichen Aktivitäten eingesperrt“, sagt er. „Der schwierigste Teil ist die Erkenntnis, dass man Zeit verschwendet, die man konstruktiv hätte nutzen können. Und es ist auch schwer zu erkennen, dass die Situation für die Familie anstrengend ist.“

Marzinowitsch sagt, dass „Nascha Niwa“ grundsätzlich legal agiere und sich an die Gesetze halte. „Denn unsere Aufgabe – die Existenz einer belarusischsprachigen Tageszeitung – ist wichtiger als jedes Risiko. ,Nascha Niwa‘ hatte schon immer Probleme mit der Veröffentlichung und Verbreitung – wir wurden aus den Kiosken geworfen, den Druckereien wurde der Druck unserer Ausgaben untersagt, das war der Anstoß für die Entwicklung der Seite. Gerade deshalb sind unabhängige Medien viel stärker als regierungsnahe Online-Medien. Die Behörden wissen einfach nicht, wie man im Internet agiert.“

Jetzt bleibt der Chefredakteur von „Nascha Niwa“ weiterhin in einer Untersuchungshaftanstalt in der Waladarski-Straße in Minsk. In seiner letzten kurzen Nachricht teilte er mit, dass er und 19 weitere Personen jetzt in einem Kellerraum ohne Fenster und nur mit einer kleinen Öffnung unter der Decke zur Belüftung festgehalten werden. Marzinowitsch schrieb, er sei fast erstickt und noch nicht in der Lage, die Briefe ausführlich zu beantworten.

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